Unbehagen an der bürgerlichen Ordnung
Exkurs: Schauspiele des globalen Kapitalismus
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Im Zuge der breiten Entfaltung der kapitalistischen Industrialisierung und der damit immer komplexer werdenden Gesellschaftsstruktur beförderte die (bürgerliche) „passion for theatricals“ eine Spektakelkultur, deren Reichhaltigkeit, und wohl auch ideologische Wirksamkeit, der der Vormoderne/Antike, anders als Foucault es sah, fast ebenbürtig ist: neue Cultural Performances wie das Diorama, Panorama und das aufblühende Museum, Schauspiele nationaler, regionaler und lokaler Gedenkfeste, wie Pilze aus dem Boden schießende theatrale Ausstellungen verschiedenster Dinge und Tätigkeiten, die eifrigen Selbstdarstellungen unterschiedlicher sozialer Schichten und Berufsgruppen in einem neuartigen Vereins- und Assoziationswesen.127
Auf die vielfältigen Charaktere der neuartigen Feste und Feiern kann hier nicht eingegangen werden. Wie sie als ein weitverzweigtes Netz die Individuen für die neue Welt abrichteten, könnte der Umschwung des politischen Fest- und Feierwesens Frankreichs andeuten, der sich zwischen den 1790er Jahren und dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts ereignete. Es zeugt von einer zunehmenden Disziplinierung der Massen, deutlich in der Vertiefung jener Trennlinie zwischen Machern, Akteuren und passiv Hinnehmenden, die sich seit dem 17. Jahrhundert in gesamtgesellschaftlich bedeutsamen theatralen Vorgängen ergeben hatte. Selbst große Selbst-Darstellungen, stellten die Feste der Französischen Revolution aktiv handelnde Massen aus.128 Als zentrale Ereignisse konzipiert, sollten sie das ganze Volk oder, in den regionalen Festen, große Gemeinschaften in...