Sollte man sich eigentlich geschmeichelt fühlen, wenn ein ausgewiesener Intellektueller wie der Chilene Roberto Bolaño mit spürbarem Respekt deutsche Kunst und Kultur zitiert? Leibniz, Kant, Hegel; Bach (Franzosen sagen: „Back“), Mozart, Beethoven; Goethe, Schiller, Hölderlin – nicht nur einmal werden diese Namen im Roman „2666“ des Schriftstellers, der von 1953 bis 2003 lebte, genannt. Und da die Adaption des jungen Franzosen Julien Gosselin der Vorlage konsequent folgt, entsprechend oft auch an diesem Theaterabend oder besser -tag, der sich über zwölf Stunden erstreckt (drei Stunden Pausen inklusive). Im fünften und letzten Teil kommt dann ein ehemaliger NS-Offizier zu Wort, der berichtet, wie er in Polen eine große Zahl griechischer Juden habe exekutieren lassen und sich zugutehält, dass einige von ihnen, dank seiner Großzügigkeit, hätten fliehen können. Dieser Monolog wird in einem glasklaren, gut artikulierten, wenn auch nicht akzentfreien Deutsch vorgetragen.
Bolaños postum veröffentlichtes Werk besteht aus fünf großen Teilen. Vor allem geht es um den fiktiven deutschen Schriftsteller Benno von Archimboldi, eigentlich Hans Reiter, geboren 1920, angeblich der bedeutendste deutschsprachige Autor des 20. Jahrhunderts (es wird dann relativiert: nach Kafka), der in völliger Zurückgezogenheit an einem unbekannten Ort lebt. Im zweiten Erzählkomplex steht eine Figur im Mittelpunkt, die sich als Reiters...