Wie kalt und direkt die politischen Verhältnisse auf ein Menschenleben zugreifen können, das hat der ungarische Schriftsteller Attila Bartis 2001 in seinem Wenderoman „Die Ruhe“ ohne die geringste Schonung nachgezeichnet: Die Tochter einer Künstlerfamilie, eine angehende Geigenvirtuosin, geht Ende der 1980er Jahre, also vor dem Regimewechsel, in den Westen und kehrt nicht wieder (ihr Vater hatte sich zuvor schon nach Amerika abgesetzt). Die Strafe für diesen Hochverrat büßt die in Budapest zurückgebliebene Familie. Die Mutter, eine Starschauspielerin mit dem schönen Namen Rebekka Weér, wird von da an mit Statistenrollen vor den Kopf gestoßen, die sie zwangsläufig ablehnt. Ihren Sohn Andor, einen Schriftsteller, die einzige Person, die ihr in ihrem Zuhause geblieben ist, droht sie mit heftigen Verlustängsten zu erdrücken. Die vom Autor erstellte Bühnenfassung des Romans mit dem Titel „Meine Mutter, Kleopatra“ (Übersetzung Anna Lengyel) – Róbert Alföldi hat sie nun am Landestheater Niederösterreich in St. Pölten inszeniert – richtet ihren Röntgenblick ganz auf diese zerstörerische Mutter-Sohn-Beziehung. Sie zeigt, wie weit und gezielt der lange Arm des Staates, das jeweils herrschende System, in das private Leben von Menschen eindringen und diese deformieren kann.
Róbert Alföldi hat den Stoff 2008 auch verfilmt; er läuft international unter dem Titel „Tranquility“. Der Regisseur...