Theater der Zeit

Thema: Festivals

Seelenporno

Das Bergen International Festival sorgt für produktive Unruhe in der norwegischen Theaterszene

von Christoph Leibold

Erschienen in: Theater der Zeit: Fuck off (09/2015)

Assoziationen: Europa Akteure

Der sichtbare Wohlstand: die malerische Stadtkulisse mit den bunten Holzhausfassaden der Hanse-Handelskontore am Naturhafen Vågen. Das satte Grün der Hügel ringsum. Das norwegische Bergen kann Salzburg locker das Wasser reichen – im wahrsten Sinne des Wortes, denn auch die Niederschlagsmenge in Europas regenreichster Großstadt ist konkurrenzfähig mit dem berüchtigten Salzburger Schnürlregen. Wo so oft die Wolken grau vom Himmel hängen, ist die Sehnsucht nach etwas Glanz und Glamour möglicherweise besonders groß. Jedenfalls waren die Salzburger Festspiele ausdrückliches Vorbild, als das Bergen International Festival 1953 ins Leben gerufen wurde. Heute allerdings, darauf legt der aktuelle Festivaldirektor Anders Beyer Wert, ist Salzburg längst nicht mehr der Maßstab. Ein bisschen altmodisch seien die Festspiele dort, meint der 56-jährige Däne. „Ein Festival mit diesen finanziellen Möglichkeiten muss mutig die Provokation wagen und braucht starke künstlerische Statements“, sagt er, der mit seinem Programm für Bergen, das er in diesem Jahr zum dritten Mal verantwortete, vormachen will, wie’s geht. Beyer begreift sein Mehrspartenfestival als Ort der politischen Auseinandersetzung und als Spielplatz der Avantgarde. Wobei das mit dem Vormachen so eine Sache ist. Gleichzeitig kämpft Norwegen nämlich auch um den ästhetischen Anschluss. Die verstärkte Internationalisierung und die Öffnung für neue Formate (ablesbar etwa an einer Einladung von...

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