Mit zwei ambitionierten und auch riskanten Produktionen startete das Theater St. Gallen in die neue Spielzeit. Der Autor und Regisseur Philippe Heule schrieb und inszenierte sein Volkstheaterstück „Spekulanten“, welches dem grassierenden Selbstverständlich-Werden von Unrecht auch in Heules Heimat, der Ostschweiz, nachgeht.
Weiter hinaus wagte sich die zweite Produktion, die Schweizer Erstaufführung von Thomas Melles „Versetzung“ in der Inszenierung von Jonas Knecht, dem Schauspielchef des Hauses. Im Mittelpunkt steht der beliebte Lehrer Rupp, der vor Jahren an manischer Depression erkrankte, und den jetzt – kurz vor seiner Ernennung zum Rektor – seine bipolare Vergangenheit durch eine Denunziation einholt. Seine eigene Geschichte, die Thomas Melle in seinem Roman „Die Welt im Rücken“ erzählte, ist Hintergrund des Stücks, in dem nachdrücklich nach Verantwortung und Vertrauen, Anerkennung und Erfolg, Leistungsdruck und gesellschaftlicher Ausgrenzung gefragt wird.
Um es gleich zu sagen: Der Vorzug dieser Arbeit, auch gegenüber der Uraufführungsinszenierung vor Monaten am Deutschen Theater Berlin, ist, dass sich Jonas Knecht und seine Dramaturgin Julie Paucker entschlossen haben, die Vorlage wegzurücken von emotionaler Geiselnahme und Stimmungsachterbahnen; stattdessen setzen sie einen analytischeren Ansatz durch, drängen episierende Elemente zurück, kappen überlange Monologe, um zu einem kompakten Textgefüge zu gelangen. So gibt es denn auch weniger Theater-Theater zu sehen,...