Als Antanas Mockus 1995 Bürgermeister von Bogotá wurde, galt die kolumbianische Hauptstadt als eine der gefährlichsten Metropolen der Welt. Das neue Stadtoberhaupt – Philosoph und Mathematiker von Beruf – brachte zur Bekämpfung der hohen Kriminalitätsrate lauter Ideen mit, die dem Image vom weltfremden Theoretiker alle Ehre machten. So bestand eine seiner ersten Amtshandlungen darin, die korrupte Verkehrspolizei zu ersetzen – durch Pantomimekünstler. Für ihr Fehlverhalten von Mimesis- und Ironie-Fachkräften durch den Kakao gezogen zu werden, würde potenzielle Verkehrssünder – so glaubte Mockus – wirksamer abschrecken als die einschlägigen Bußgeldverfahren. Außerdem standen in Bogotá bald Tauschaktionen auf der Agenda, bei denen jeder, der eine Waffe abgab, im Gegenzug Kinderspielzeug ausgehändigt bekam.
Pistolen zu Puppenstuben und Polizisten zu Performern? Was aus gängiger realpolitischer Sicht als rührend idealistische Spinnerei erscheint, zeitigte de facto erstaunliche Ergebnisse. Die Zahl der Verkehrsunfälle sank während Mockus’ knapp dreijähriger Amtszeit um mehr als fünfzig Prozent, die Mordrate gar um siebzig.
Mit dieser Erfolgsgeschichte des „artivistischen“ Eingreiftheaters – einer Praxis also, die Kunst (art) mit Aktivismus (activism) verbindet – beginnt das vor sechs Jahren von Florian Malzacher zusammen mit dem Festival steirischer herbst herausgegebene Buch „Truth is Concrete. A Handbook for Artistic Strategies in Real...