Eine systematische Definition des Populismus
von Bernd Stegemann
Erschienen in: Das Gespenst des Populismus – Ein Essay zur politischen Dramaturgie (01/2017)
Jan-Werner Müller18 argumentiert seit einiger Zeit für eine Kritik des Populismus, die nicht mehr auf den Inhalt der Aussage abzielt oder ihre Form, sondern auf ihre Begründung. Seine Definition ist so einfach wie nachvollziehbar: Eine Aussage ist populistisch, wenn sie für sich eine Wahrheit beansprucht, die weder demokratisch noch wissenschaftlich begründet ist, sondern die sich aus einem Volkswillen ableitet, der weder überprüft noch bewiesen werden kann. Der Volkswille ist die ungreifbare Letztversicherung, die der Populist in Anspruch nimmt, um daraus seine unangreifbare Autorität abzuleiten. Er beansprucht eine Wahrheit, die nur derjenige besitzt, der den Willen des Volkes erkennen kann. Da diese Wahrheit nicht durch Mehrheiten oder wissenschaftliche Methoden bewiesen wird, ist sie auch nicht durch Argumente oder Fakten zu widerlegen. Sie gilt absolut, solange man an einen Volkswillen glaubt, der von Einzelnen erkannt und verkörpert werden kann.
Mit einem solchen methodischen Begriff von Populismus lassen sich politische Aussagen inhaltlich neutraler untersuchen. Eine Kritik am Euro, am Kapitalismus oder an elitären Herrschaftsformen kann entweder populistisch sein, wenn sie einen behaupteten Volkswillen vertritt, oder sie kann eine legitime politische Meinung sein, die diskutiert werden muss, egal, ob sie den herrschenden Interessen passt oder nicht.
Schaut man mit dieser Methode etwa auf...