Generalprobe Corona
Pandemie und Klima
von Maximilian Haas
Erschienen in: Recherchen 165: #CoronaTheater – Der Wandel der performativen Künste in der Pandemie (08/2022)
Assoziationen: Dossier: Klimawandel Dossier: Corona
Die Corona-Pandemie traf die Institutionen der Freien Theater-, Tanz- und Performance-Szene in Deutschland – wie eigentlich alle gesellschaftlichen Einrichtungen – völlig unvorbereitet. Die Aussage des damaligen Vizekanzlers Olaf Scholz, dass es kein Skript für die Krise gebe,1 traf auch auf jene Akteur*innen zu, die künstlerisch zumeist mit Skripten arbeiten. Mit beeindruckender Geschwindigkeit und Konsequenz gelang es diesen aber, betriebliche Konzepte und performative Formate zu entwickeln, die die Ansprüche des Infektionsschutzes mit den Ansprüchen der künstlerischen Produktion und Präsentation koordinierten und ihr Verhältnis in der Praxis austarierten. Dieser krisenbedingte Lernprozess, der alle Tätigkeitsbereiche der Freien Szene – von der künstlerischen und kuratorischen Arbeit über die Verwaltung, die Gewerke und das Gebäudemanagement bis hin zum Publikum – als integrierende Komponenten eines Ganzen einschloss, ereignete sich in wesentlichen Zügen bereits während des ersten Lockdowns zwischen März und Mai 2020. Hier ließ sich sozusagen in Echtzeitverfolgen, wie die Szene durch kollektives Probehandeln des Einbruchs einer neuen Wirklichkeit habhaft wurde, welche die soziomateriellen Grundlagen ihrer Produktions- und Präsentationsweisen, einschließlich der körperlichen Versammlung von Menschen, aus Gründen des Gesundheitsschutzes ebendieser Menschen unmöglich machte. Keine andere Situation in der relativ kurzen Geschichte der Freien Szene in Deutschland stellte diese Grundlagen so nachdrücklich auf die Probe...