Lothar Trolle, fünfzig Jahre nach 1968: Was bleibt?
Es bleiben Erinnerungen. Zum Beispiel an den Sommer von 1968. Ich studierte Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im dortigen Studentenkino lief eine Westernparodie: „Wer will Jessie umbringen?“. Man sah eine Kuh, die lag in der Hängematte und träumte von der Milka-Schokolade. Das war lustig, aber auch ein bisschen blöd. Am nächsten Tag, wir hatten den Film schon vergessen, kamen wir in die Uni – und es herrschte schlechte Stimmung. Eine FDJ-Versammlung wurde einberufen und dann diskutiert, wie man bei einem solchem Film nur lachen konnte. Die Diskussion über diesen Film zog sich über Monate hin. Das Kino wurde geschlossen. Es war eine aufgeheizte Atmosphäre. Näher als Prag war uns 1968 aber zunächst West-Berlin. Über Freunde und Bekannte bekam man einiges mit. Zum Beispiel Herbert Marcuses „Der eindimensionale Mensch“, das war eine neue Lesart des Marxismus, gegen die Parole, dass es im Osten keine Entfremdung mehr geben würde. Milovan Ðilas‘ „Die neue Klasse“ haben wir auch gelesen. Die Nachrichten aus dem Osten waren verschwommen und ungenau. Irgendetwas war los, das bekamen alle mit, aber die Nachrichtenlage war schlecht. Und im Neuen Deutschland gab es nur Nebulöses zu lesen. Im August 1968 war...