Der über sechshundert Seiten starke Band zum „Freien Theater im Europa der Gegenwart“ stellt wesentliche Formen und Probleme der europaweiten Kunstbewegung vor, die in Deutschland als Freies Theater gilt, frei als ungebunden im Unterschied zum sogenannten institutionalisierten, traditionell stark kommunal-staatlich getragenen (angebundenen) Theaterwesen.
Braunecks längere Einleitung umreißt die verschiedenen Perspektiven, unter denen die Bewegung zu sehen ist. Sie geht über den im Titel genannten engeren Zeitraum auf historische Entwicklungslinien ein, verweist auf die ästhetischen und organisatorischen Wechselbeziehungen mit dem institutionalisierten Theater, sucht Bewegungen des Theaters, wie eben die Herausbildung freier Gruppen, im Kontext der soziopolitischen internationalen Prozesse nach 1945 zu deuten und setzt dabei den weitreichenden Umbruch der verkrusteten Theaterlandschaften in den sechziger Jahren in Beziehung zu den kulturrevolutionären Massenbewegungen mit dem historisch-symbolischen Höhepunkt der heftigen Pariser Auseinandersetzungen im Mai 1968. Der Umbruch bedeutete die radikale Überwindung der alten, engen europäischen Vorstellung (und Praktik), dass Theater ein spezielles Gebäude für die Vorführung dramatischer Literatur ist, und entfesselte die enorme gestalterisch-kommunikative Vielfalt theaterkünstlerischer Tätigkeiten. So enthält der Band ausführliche Studien zur „Situation der zeitgenössischen, experimentellen Tanz-, Choreografie- und Performancekunst in Europa“ von Petra Sabisch, zu „Freiem Kindertheater in Europa seit 1990“, in der Tine Koch wesentliche Aspekte der Theaterformen für Kinder...