Die Macht audiovisueller Mediatisierung
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Der technisch hergestellte und vermittelte Film hatte die allgemeinen Möglichkeiten künstlerischer Auseinandersetzung mit der Welt enorm erweitert. Er hat das große Potenzial, in der zweidimensionalen Flächigkeit seiner projizierten Erscheinungsweise die Welt in der sinnlich-bildlichen, also gleichsam wirklichen räumlichen Verfasstheit und zeitlichen Bewegung der Dinge und des Gesellschaftlichen (audio-) visuell darzustellen und so zu vermitteln. Seine Produktionen sind ungeheuer beweglich, mit dem exponentiellen Wachstum der Transportmöglichkeiten schnell an allen nur möglichen Orten einsetzbar und von Millionen simultan zu rezipieren. Er machte besonders deutlich, wie und in welchem Maße der industrielle Kapitalismus systemisch gesellschaftliche Strukturen und Prozesse, Lebenswelt und Wahrnehmungsweisen fundamental umgebrochen hatte. Anfang der 1930er Jahre erschien der Film Lewis Mumford als die (einzige) Kunst, die „with any degree of concreteness the emergent world-view that differentiates our culture from every preceding one“ repräsentieren könne.153
Seine Gestaltungsweise wurde nicht nur Vorbild für die historische Kunstavantgarde. Der Film bot Theatermachern generell, wie einige Jahre später in anderer Weise das Radio, ein neues breites Feld darstellerischen Produzierens an, erschütterte mit seiner übergreifenden theatralen (darstellerischen) Kraft aber auch die bisherige Machtposition des Theaters als primärer, alleiniger Zeitraum der unmittelbaren personalen Kommunikation künstlerischer audiovisueller Darstellungen – und konnte insistierend fragen lassen, ob und...