Intermezzo
Ungebundenheit und Eingebundensein 1987–1991
von Klaus Zehelein
Erschienen in: Unerhörte Augenblicke – Autobiographie (09/2025)
Assoziationen: Thalia Theater
Als im Juni 1987 der Eiserne Vorhang nach der letzten, umjubelten Aufführung der „Götterdämmerung“ gefallen war, war ich frei. Keine Vorbereitung auf die neue Spielzeit, keine Proben, keine Sitzungen in Dramaturgie und Direktorat standen mehr an. Noch etwas Abwicklungsarbeit. Sonst nichts. Ein ungewohntes Gefühl nach zehn Jahren Aufbruch. Als ich ihm nachging, diesem neuen Gefühl, stellte ich fest, wieviel Druck die ganze Zeit über auf mir gelastet haben musste. Nun war der Druck weg und ich war doppelt frei. Befreit von der Last, die mit der wunderbaren Opernarbeit in Frankfurt nolens volens verbunden war; aber auch frei, zu entscheiden, was ich nun tun wollte.
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Als ich aus dem Abstand meiner neugewonnenen Freiheit auf zehn Jahre Operndramaturgie zurückblickte, kam mir die Zeit meiner Anfänge in Kiel und Oldenburg in den Sinn. Dort war ich überwiegend als Dramaturg für das Sprechtheater tätig gewesen. Diese Arbeit betrachtete ich keineswegs als Vorstufe für die Operndramaturgie, im Gegenteil. Die Fokussierung auf Texte, die nicht von der Musik in Dienst genommen und von ihr gezeichnet und überformt waren, hielt ich für eine notwendige Einstellung, um dem drohenden Verschwinden des Texts in der Musik entgegenzuarbeiten. Nicht mit Wehmut, sondern mit einer frisch erwachten Neugier erinnerte ich...