Die Macht audiovisueller Mediatisierung
Theater und Kino: Existentielle Positionierungen
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Mit seinen beweglich gewordenen Bildern errang der Film schnell eine dominante Stellung in den künstlerischen Kulturen und wurde, bis zum Beginn des Fernsehzeitalters, zu einer bedeutenden gesellschaftlichen Macht.154 Unter seiner Wirksamkeit als „Aufführungsereignis“155 veränderte sich tendenziell die soziokulturelle Bedeutsamkeit personal-kommunikativer Darstellungen („Auftritte“156). Ein Detail: Mitte der 1890er Jahre wurden die ersten Filmstreifen in Varietés wie dem vornehmen Berliner Wintergarten an der Friedrichstraße als eine Attraktionsnummer unter anderen vorgeführt. Ende der 1920er Jahre waren Varietés gegenüber dem zum Massenmedium gewordenen Film ein zweitrangiges Ereignis der Freizeitgestaltung. 1913 kommentierte Walter Serner:
Wenige Jahre erst mag es her sein, daß manch Varieté-Programm mit der Vorführung kinematographischer Aufnahmen schloß … Und nach ein paar Jahren hatte das kleinste Provinzstädtchen seinen [sic] Kino, Berlin der Kinos dreihundert und Kammerlichtspiele. Sicherlich: der Spottpreis. Die bequeme Lage an der Verkehrsstraße, die fast unbeschränkte Spielzeit […], das alles vermag aber gleichwohl nicht, den beispiellosen Siegeszug zu erklären, der dem Kino allenthalben beschieden war.
Es sei die Schaulust. Was dem Volk die wachsende Zivilisation Tag um Tag mehr raube, was ihm weder der „Zauber der Kulisse noch die müden Sensationen einer Zirkus-, Varieté- oder Cabaret-Vorstellung zu ersetzen vermögen, das wird dem Volk hier fast in...