Orchestration von Bewegung: Performancekunst
Performance im theaterkünstlerischen Paradigmenwechsel
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Arbeit für die Werbung ist nur eine der Formen, in denen der Kapitalismus avancierte Kunst seinem Verwertungsprozess unterwirft, eine für die Künstler gleichsam unausweichliche Realität. Das direkte Bedienen wie das Mitmachen in der Konsumpropaganda ist sicher zu einem erheblichen Teil finanziell motiviert, kann aber ganz andere, spezifisch künstlerisch-gestalterische Zwecke verfolgen. In der Beteiligung der Avantgardekünstler am Werbefilm drückte sich das mit dem Paradigmenwechsel der Künste explodierende allgemeine, Gattungen übergreifende Interesse an Darstellungen aus, die nicht mehr oder nicht nur in sich zusammenhängende, der „Logik des Alltäglichen“ sich ereignende Geschichten von Individuen, Vorgängen und gesellschaftlichen Gruppen erzählen, sondern gleichsam das Darstellen selbst, das kreative Produzieren ästhetisch faszinierender Gebilde und Strukturen, die „Orchestration von Bewegung in visuellen Rhythmen“ primär setzen.199 Oskar Schlemmer sollte es „abstraktes Theater“ nennen. Loïe Fuller hatte um die Jahrhundertwende mit ihrem abstrakten, nicht-narrativen Tanz, der „Bewegung selbst als schimmerndes Phantom inszenierte“,200 der Inszenierung oder eben der Performance audiovisueller Bewegung von Dingen, Tönen, Farben, Licht, Bildern in Zeit und Raum als solcher praktisch vorgearbeitet, und Edward Gordon Craig hatte mit seinen Entwürfen zu den „Stimmungen“, der Treppe und seinen Verweisen auf das Drama der Alltagsgeschehnisse seit 1904 dem Happening, dem Geschehen „an sich“, wie es zum...