Kolumne
Farce und Tragödie
Auf der Wiederholungsspur
von Kathrin Röggla
Erschienen in: Theater der Zeit: Die rote Revolution – Russland zwischen 1917 und der Gegenwart (11/2017)
Assoziationen: Debatte
Bezahlt wird man für das, was man nicht schreibt, erinnerte mich Mark Lammert vor dem Sommer. Er hat recht, sage ich nach dem Sommer, ich habe jede Menge nicht geschrieben. Dies jetzt in einer Kolumne nachzuholen ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit, ich weiß zudem, kaum würde ich etwas doch schreiben, würde ich sofort nach seinem Aktualitätswert gefragt. Zum Beispiel, was der Aktualitätswert der Unheimlichkeit sei, die meinem letzten Stück zugrunde liegt. „Ja, wo liegt die Gegenwart hier begraben?“, antworte ich auch schon brav. „Erzählen Sie mir etwas über die besonders gegenwärtigen Ängste Ihrer Figuren!“, kommt allerdings gleich danach, und: „Was unterscheidet sie von anderen Zeiten?“ Ständig klauben Kritiker die Gegenwärtigkeiten aus den Stücken, führen Aktualisierungsprüfungen durch, und ebenso ständig bleibe ich folgsam auf dieser Spur, denn Inszenierungen, so viel weiß man, verhalten sich stets zu ihrer Zeit, ja, müssen sich zu ihr verhalten, und dieses Verhältnis muss danach überprüft werden. Und ja, was sind das auch für Zeiten, in denen wir leben!
Es liegt vermutlich nicht an der Theaterkritik, dass sie sich mit dieser Perspektive mehr einer Katastrophendramaturgie zuwendet als unserer vermeintlichen Gegenwart, sondern an ebendieser Gegenwart. Mit Herausforderungen spart sie wahrlich nicht. Vielleicht aber ist es auch der...