Protagonisten
Mysterien des Spiels
Die Schauspielerin Cordelia Wege will lieber scheitern als funktionieren
von Gunnar Decker
Erschienen in: Theater der Zeit: Cordelia Wege – Schöpferisches Risiko (02/2020)
Assoziationen: Akteure Berliner Ensemble
Das Nachwende-Berlin ist fast schon so versunken wie das der 1920er Jahre. Aber es bildet mythische Kerne. Das Tacheles in Berlin-Mitte gehört dazu. Ganz früher einmal war es ein Kaufhaus, dann, nach 1989, ein alternatives Kulturzentrum mit magischer Anziehungskraft. Hier dachte und lebte man alternativ. 2012 wurde das Tacheles zur Spekulationsmasse, wie die ganze Stadt.
Im Kunsthaus Tacheles inszenierte Sebastian Hartmann im April 1998 „Kalter Plüsch“. Aufgefallen sind mir dabei zwei Terrarien mit ausgewachsenen Leguanen – und Cordelia Wege, damals 21 Jahre alt. Eine szenische Versuchsanordnung nach Strindbergs „Totentanz“ und Dürrenmatts „Play Strindberg“. Die Urszene des Hartmann’schen Theaters, Kopfkino im Menschen-Zoo. Familien- und Gesellschaftsidyllen, hehre Werke der Weltliteratur, historische Kontexte, all das tritt hinter den archaischen Impuls des Spiels zurück. Realität löst sich in Träume auf, auch böse. Jedem Versprechen wohnt der Verrat inne, jeder Erfüllung die Ernüchterung. Es wirkte wie ein Fellini-Film, den man auf einem Schwarz-Weiß-Fernseher zu sehen gezwungen wird. Hartmanns vorsätzliche Anti-Didaktik hat sich über die Zeiten hinweg als erstaunlich stabil erwiesen.
Mittendrin eine zart und verletzlich wirkende Cordelia Wege, die wie die leibhaftige Antithese zu Sebastian Hartmann, ihrem Ehemann und Lieblingsregisseur, wirkt. Der Mensch in dessen rabiatem Zirkus scheint immer krank und erlösungsbedürftig. Der Erlöser ist...