Jenseits der Grenzen des Menschlichen
Martina Clavadetscher
von Simone von Büren
Erschienen in: Arbeitsbuch 2020: Stück-Werk 6 – Neue deutschsprachige Dramatik im Porträt (07/2020)
Assoziationen: Akteure Martina Clavadetscher
„Meine Texte sind meine wilden Kinder“, sagt Martina Clavadetscher. Wild sind ihre Texte in der Tat, auf ganz unterschiedliche Weise. Sie zeugen zuallererst von einem unkonventionellen, entfesselten Denken, das die Gesetzmäßigkeiten hinter Phänomenen und Verhaltensweisen zu ergründen sucht und bestehende Kategorien hinterfragt. Die Schweizer Autorin, die in Fribourg Germanistik und Philosophie studiert hat, stellt einiges auf den Kopf, in der Art, wie sie denkt und wie sie das Gedachte in Metaphern und eigenwilliger Sprache vermittelt. Intellektuell verdichtet verhandelt sie philosophische Grundfragen nach dem Verhältnis von Selbst- und Fremdbestimmung, Wissenschaft und Glauben, Materie und Geist, Freiheit und Sicherheit, nach den Grenzen des Menschlichen und dem Ende der Welt. Bibelstoffe, mittelalterliche Legenden und literarische Werke wie Ovids „Metamorphosen“, Mary Shelleys „Frankenstein“ oder Robert Louis Stevensons „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ fließen ebenso ein wie wissenschaftliche Phänomene.
Viele ihrer Figuren sind nicht-menschlich. Da gibt es die personifizierte Angst, die über ein stilles Europa herrscht; Hunde, die für Chaos plädieren; Engel oder Untote. Es gibt einen selbstoptimierenden Roboter und die „Muttermaschine“, die in „Der letzte Europäer“ (2017), einem Auftragswerk des Theaters Neumarkt in Zürich, die simulierte Realität eines an Apparate angeschlossenen „dummen, weißen Manns“ kontrolliert. Und immer wieder gibt es...