Seit den ersten Protesten am 23. Januar, sechs Tage nach der Verhaftung von Alexej Nawalny, finden die wesentlichen Kämpfe in den sozialen Netzwerken und nicht in der realen Theaterwelt statt. Die russischen Theater, die zu einer erdrückenden Mehrzahl staatliche Einrichtungen sind, spielen ihr übliches Repertoire, in Moskau geschieht das aufgrund der Corona-Maßnahmen vor einem um fünfzig Prozent reduzierten Publikum. Fast keiner der Intendanten und „großen“ Regisseure hat sich in den sozialen Netzwerken oder den Medien für das Recht auf Versammlungsfreiheit oder gegen die Gesetzlosigkeit ausgesprochen. Die Menschen spüren die Gefahr und schweigen – erst recht, wenn sie an einer staatlichen Kultureinrichtung tätig sind.
Es gibt keine Protestnoten vor den Aufführungen wie während des Prozesses gegen Kirill Serebrennikow und das Studio 7 oder Solidaritätsbekundungen wie im Falle des Moskauer Schauspielers Pawel Ustinow, für den sich eine Kollegin des Teatr-Teatr in Perm eingesetzt hatte. Aber hinter der Fassade, die trotz der gegenwärtigen Ereignisse bislang unversehrt blieb, brodelt in den sozialen Netzwerken die Aktivität. Einzelne, vor allem junge Theaterschaffende mussten dafür bereits büßen. Sie wurden von Plakaten entfernt, ihre Seiten wurden von den Websites der Theater gelöscht.
In den vergangenen Jahren formierte sich in der russischen Theaterszene eine Welle neuer, junger Kunstschaffender, unabhängiger...