empathische feedbackschleifen
für ein postdigitales theater
von Judith Ackermann und Benjamin Egger
Erschienen in: Arbeitsbuch 2021: transformers – digitalität inklusion nachhaltigkeit (07/2021)
Assoziationen: Debatte Dossier: Digitales Theater
Einleitung
Während sich das Theater bis in die Gegenwart weitestgehend erfolgreich geweigert hat, digitale Technologien als mit ihm verbundene, es transformierende und/oder in seiner Reichweite vergrößernde Variablen anzuerkennen, beförderte die im Kontext der Corona-Pandemie im Frühjahr des Jahres 2020 angeordnete Schließung der Häuser auf der Oberfläche geradezu einen Digitalisierungsschub im deutschsprachigen Theaterbetrieb. Akteur*innen und Institutionen sahen sich gezwungen, digitale Distributionskanäle nutzen zu müssen, um weiter stattzufinden. Unvorbereitet entstand eine Flut von Livestream-Aufführungen, die unter strengen Hygienevorschriften vor Ort durchgeführte physische Performances digital einfingen und den Zuschauenden nach Hause brachten oder Filmaufnahmen vergangener Aufführungen digital ausspielten. Dieses Vorgehen ging mit entscheidenden Einschnitten in die Verfasstheit theatraler Erfahrung und die sie konstituierenden definitorischen Elemente einher: Das gemeinschaftliche Erleben in raum-zeitlicher, leiblicher Ko-Präsenz wich einem dispers adressierten Publikum. Das Aufführungsgeschehen verlagerte sich vom dreidimensionalen Erfahrungsraum in die zweidimensionale Fläche des Computerscreens, von dem ausgehend das Publikum die Aufführung erfuhr. Die konzentrierte und Bühnen-gerichtete Aufmerksamkeit, ermöglicht durch die Paarung von abgedunkeltem Auditorium und erleuchteter Bühnensituation, wurde abgelöst von alltagsähnlichen Erfahrungssituationen. Die gefilmten Performances drangen ein in Wohn- oder Arbeitszimmer, je nachdem wo es den potenziellen Zuschauer*innen möglich war, sich qua Endgerät störungsarm auf sie einzulassen. Dennoch aber ist die Rezeptionserfahrung abseits der artifiziellen Situation...