Vorwort
von Tilmann Broszat, Julian Nida-Rümelin, Sigrid Gareis und Michael M. Thoss
Erschienen in: Recherchen 79: Woodstock of Political Thinking – Im Spannungsfeld zwischen Kunst und Wissenschaft (11/2010)
Der Anlass der Planungen zum dreißigstündigen Denk- und Diskursmarathon WOODSTOCK OF POLITICAL THINKING, der vom 20. bis 22. November 2009 im Rahmen des Theaterfestivals SPIELART in München stattfand und dieser Publikation zugrunde liegt, war das Super-Gedenkjahr 2009 (Mauerfall, Beginn des Ersten Weltkrieges, Grundgesetz, Gründung der DDR, futuristisches Manifest, Woodstock, Hermannsschlacht etc.) mit all seinen zu erwartenden publizistischen und politischen Ritualen. Hier wollten wir eine offene Plattform für Künstler und Kuratoren, Intellektuelle und Wissenschaftler setzen, um im performativen Diskurs unterschiedliche und möglicherweise neue, noch nicht standardisierte »Spielarten« des politischen Denkens zu erforschen. Ausgangspunkt für diese Begegnung von Kunst und Wissenschaft war die Beobachtung, dass im methodischen Ansatz dieser Gedenkjahrveranstaltungen das Politische zwar häufig explizit thematisiert, gleichzeitig aber vernachlässigt wurde, dass die politische und soziale Haltung von Künstlern und Künstlerinnen bereits per se einen substanziellen Ausgangspunkt gegenwärtiger Kunst- und Wissensproduktion markiert. Gleiches gilt für die wissenschaftliche Erforschung politischer Strukturen, Phänomene und normativer Grundlagen: Die Frage, welche Rolle die Subjektivität auf der einen Seite und die Ideale der Wertfreiheit auf der anderen Seite für die künstlerische und wissenschaftliche Praxis spielen, wurde zum zentralen Ausgangspunkt der Konzeption.
Ging es uns zu Beginn der Planungen vor allem darum, die politische Debatte überhaupt wieder in eine...