Zehn Thesen
These 2: Theatermusik heute bestimmt den Entwicklungs- und Probenprozess von Inszenierungen fundamental mit
von David Roesner
Erschienen in: Recherchen 151: Theatermusik – Analysen und Gespräche (11/2019)
So wie die Theatermusik häufig über eine größere Adaptabilität während der Aufführungsserie verfügt (siehe These 3), hat sich ihre Präsenz und Funktion auch im Entwicklungs- und Probenprozess gegenüber traditionelleren Arbeitsweisen verändert. In der Geschichte der Schauspielmusik gab es natürlich häufig Musik, die schon zu Beginn der szenischen Einstudierung eines Theaterstücks fertig war – mal, weil sie unabhängig entstanden war, oder eben in Bezug auf ein Stück z. B. als Auftragsarbeit komponiert wurde. Sie war aber meist nicht eng mit dem Inszenierungstext verwoben, sondern diente als – bisweilen recht austauschbare – Ouvertüre, Zwischenakts- oder Umbaumusik.
Mit der kurzen Blüte des Melodrams in 19. Jahrhundert und dem Aufkommen des Tonfilms ab den 1930er Jahren und den darin vielfältig erprobten Techniken der Untermalung, Kommentierung und einer leitmotivisch und atmosphärisch sprechenden Musik durchdringen sich auch im Schauspiel Szene, Dialog und Musik immer enger – zumeist aber unter dem Diktat des Wortes.
Im 20. Jahrhundert sah die Berufspraxis der Theatermusiker*innen häufig vor, dass sie – einem/r Filmkomponist*in nicht unähnlich – einer szenisch weitgehend fertigen Inszenierung erst spät im Probenprozess noch Musik hinzufügten. Hierbei ist sicher zu bedenken, was Heiner Goebbels immer wieder betont: Elemente, die spät zum Entwicklungsprozess hinzukämen, könnten nur noch illustrieren. Es sei...