Auftritt
Stadttheater Bremerhaven: Was wäre wenn
„Der Vorfall“ von Deirdre Kinahan in einer Bearbeitung von Peter Hilton Fliegel – Regie Christina Gegenbauer, Bühne, Kostüme und Video Frank Albert, Musik Nikolaj Efendi
von Jens Fischer
Assoziationen: Theaterkritiken Niedersachsen Christina Gegenbauer Stadttheater Bremerhaven
Content Note: Dieser Text thematisiert Vergewaltigung im Rahmen einer Inszenierung
Thematisiert ist eine Vergewaltigung – und aufbegehrt wird gegen die gesellschaftliche Verniedlichung als „Der Vorfall“ (Stücktitel). Denn unter den Folgen der Traumatisierung leiden Menschen ein Leben lang und entwickeln sich anders, als es ohne diesen Kontrollverlust über den eigenen Körper und die eigene Geschichte möglich gewesen wäre. Sich dagegen zu empören und die Triebabfuhr als Ausdruck struktureller männlicher Gewalt anzuklagen, gelingt derzeit etlichen Dramen auf deutschen Bühnen – etwa Suzie Millers „Prima facie“. Deidre Kinahan will hingegen in schmerzhafter Ausführlichkeit den schier erdrückenden Prozess dessen vorführen, was sie im Stück Posttraumatische Belastungsstörung nennt. Als Form wählt die irische Autorin ein psychologisch klar strukturiertes Well-made-Play, das Christina Gegenbauer nun am Stadttheater Bremerhaven inszenierte.
Bereits vor einem Jahr hatte die Regisseurin die gleiche dramatische Konstellation mit Ivana Sokolas „Pirsch“ am DT Göttingen herausgebracht. Dort kehrte die Protagonistin an den dörflichen Ort ihrer Jugend zurück und begegnete ihrem damaligen Vergewaltiger. Vor lauter Scham-, Schuld- und Ohnmachtsgefühlen sowie mit alkoholisiert unscharfer Erinnerung versuchte sie einst nicht den Weg des Rechts mit einer Anzeige zu gehen, sondern verließ ihre Heimat. „Die Grammatik der Wunde“ sei ihr bis heute fremd. „Es sitzt mir im Nacken, das...
Erschienen am 23.2.2024
