Magazin
kirschs kontexte: Der lange Weg nach Auschwitz
Zum Fall Hans Schleif
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Theater der Zeit: Dickicht der Städte – Shermin Langhoff über die Dialektik der Migration (04/2017)
Fast ein wenig im restlichen Programm versteckt, läuft am Berliner Deutschen Theater seit 2011 ein bemerkenswertes Theaterstück: „Hans Schleif. Eine Spurensuche“, das der Schauspieler Matthias Neukirch – ein Enkel Schleifs – mit dem Regisseur Julian Klein entwickelt hat. Bei Schleif handelte es sich um einen berühmten Archäologen, Architekten und Bauforscher, der unter anderem ab 1927 die Ausgrabungen in Olympia mit leitete und dessen Modelle antiker Stätten bis heute im Berliner Pergamonmuseum oder auch im New Yorker Metropolitan stehen. Schleif war ab 1935 aber auch SS-Mitglied, zuletzt im Rang eines Standartenführers, und übernahm 1944 – was erst Neukirch und Klein an den Tag brachten – die stellvertretende Leitung der Abteilung C des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes, einer zentralen SS-Behörde, von der aus die Konzentrationslager verwaltet wurden. Am 27. April 1945 erschoss Schleif seine zweite Ehefrau, seine Zwillingssöhne und sich selbst.
Zwei Stunden lang monologisiert Neukirch über seine Recherchen zu seinem Großvater, für die Klein und er immerhin gut 11 000 Dokumentseiten gesichtet haben. Eine solche theatrale „Spurensuche“ könnte Gefahr laufen, sich zwischen Nabelschau und Schulfernsehen zu verlieren – zumal, wenn sie von einem Enkel stammt, der lange nichts von den Verstrickungen des Großvaters wusste. Dass „Hans Schleif. Eine Spurensuche“ dem zu entgehen...