Die 1980er Jahre
Das Théâtre du Soleil im Stählernen Zeitalter
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Die Betonung des Individuellen in der Wooster Group markierte nicht nur einen Bruch im avancierten („alternativen“) Theater Nordamerikas. Sie sprach von einer tendenziellen Abnahme der kritischen Auseinandersetzung mit wesentlichen Strukturen und Prozessen der Gesellschaft im Theater der westlichen Länder überhaupt. Die Tendenzwende erscheint als eine Dimension des Versiegens der linken, teilweise radikalen Bewegung in den 1970er Jahren. Ein tiefgreifender Umbruch des Systems erwies sich in der Hochzeit seiner wirtschaftlichen Stabilität und Prosperität als illusionär, ohne Aussicht auf Interesse oder gar Beteiligung der Massen seiner (noch) gut funktionierenden Wohlfahrtsstaatsgesellschaft. Nicht nur geduldet, zum großen Teil auch in der Öffentlichkeit begrüßt, konnte man Studentenproteste wie in den USA 1969/70 mit direkter Repression abwürgen,211 in Europa Reformen zurückschrauben und Personen, die einer im weiten Sinne begriffenen Linken zugehörten oder nahestanden, als Verdächtige für/aus Stellungen im öffentlichen Dienst aussieben (als Berufsverbot erfahren).
Wandlungen in der Kunst des Pariser Théâtre du Soleil im Verlauf der 1970er und 1980er Jahre dürften die Bedeutung dieser historischen Lage für das gesellschaftlich avancierte Theater recht deutlich zeigen. Die Arbeiten des Théâtre du Soleil von 1970 bis 1975, mit denen es Weltruhm erlangte, sprachen unmittelbar vom Hauptanliegen und dem besonderen festlichen Charakter der im Mai 1968 in Paris kulminierten...