Magazin
Dialektik des Dämonischen
Manfred Karge zum 75. Geburtstag
von Gunnar Decker
Erschienen in: Theater der Zeit: Frontmann Hamlet – Der Dresdner Musiker-Schauspieler Christian Friedel (03/2013)
Welch ein proletarischer Kraftkerl (mit Hang zum Rabauken) zur falschen Zeit am falschen Ort. So einen wie ihn – weniger ironisch als der freche Ex-Stahlarbeiter und Publikumsliebling Manfred Krug – suchte die DDR-Kulturpolitik Mitte der 60er Jahre händeringend. Aber Manfred Karge, unmittelbar nach seinem Studium von Helene Weigel an das Berliner Ensemble geholt und dort von ähnlichem Typus wie Hilmar Thate, hatte wenig Lust, ein Ornament des „Bitterfelder Weges“ zu werden. Im Gegenteil, er wollte von Anfang an die herrschenden Klischees von innen her aufsprengen. So interpretierte er Brecht und fand früh in Matthias Langhoff einen geistesverwandten Regiepartner, mit dem er zusammen zwischen 1969 und 1983 nicht nur, aber vor allem die Welt Brechts auf die Müller’schen Füße stellte.
Doch im Jahr 1965 wäre der am 1. März 1938 in Brandenburg geborene Manfred Karge dem Theater beinahe abhanden gekommen. Da spielte er in der DEFA-Verfilmung von Dieter Nolls „Die Abenteuer des Werner Holt“ den überaus negativen Helden Gilbert Wolzow, einen fanatischen Nazi-Soldaten der letzten Stunde, der über Leichen geht, auch über die seiner Freunde. Eine Gestalt von dämonischer Suggestivkraft. Karge war so dominant, dass der Film mehrmals umgeschnitten werden musste, um ihn etwas mehr in den Hintergrund treten zu lassen....