Steffen Siegmund tastet, ja, schmeckt sich in den Text hinein. Fast ist es, als müsse er die Sprache für seine Situation erst erschaffen. Er bekommt 2017 den Boy-Gobert-Preis für Nachwuchsschauspieler an Hamburger Bühnen verliehen – unter anderem für dieses Solo. Es ist ein düsterer Roman, den Alek Niemiro zu einem beklemmenden Abend verdichtet hat: Édouard Louis’ „Das Ende von Eddy“ handelt von einem Jungen, der nicht nur eine hohe Stimme, sondern auch noch die Sehnsucht nach dem „falschen“ Geschlecht hat. Ein dörfliches Horrorszenario: homosexuell, anders, dem Hass ausgesetzt.
Niemiro hat sich den Text genau vorgenommen. Mit Tom Gatza an der Gitarre und am Klavier schafft die Musik weit mehr als nur eine kommentierende Ebene, sie tritt in Dialog, treibt an, erzählt mit. Spielort ist die Garage des Thalia Theaters. Kein einfacher Raum, ein bisschen zu breit, mit schwierigen Sichtachsen wegen zweier sehr prominenter Säulen, dazu weiße Wände, vor denen die Scheinwerfer hängen wie ein Statement. Und doch scheint dieser Ort wie gemacht für den Abend, thematisiert er das Theatrale an sich, unterstrichen noch durch den roten Samtvorhang, der über der Podesterie drapiert ist.
„Die Szene, als Eddy auf die Theaterschule geht, ist für mich ein Schlüsselmoment“, erklärt Niemiro. „Mit ihr...