Werkgeheimnisse der Schauspielkunst
Quelle 9
Erschienen in: Lektionen 3: Schauspielen Theorie (12/2010)
Assoziationen: Schauspiel
1. Des Schauspielers Körper und Psyche
Körper und Seele des Menschen sind in ständiger Wechselwirkung und beeinflussen sich gegenseitig. Sowohl ein über- wie ein unterentwickelter Körper kann die geistige Regsamkeit beeinträchtigen, Gefühle abstumpfen oder den Willen schwächen. Selten besteht vollständiges Gleichgewicht.
Und doch ist gerade dieses Gleichgewicht für den Schauspieler besonders wichtig. Denn sein Körper dient ihm ja als Instrument, seine schöpferischen Ideen auszudrücken. Nicht nur leiht er der darzustellenden Rolle Stimme und Gebärde, sondern er muß zudem in seinem sicht- und hörbaren Spiel das Innenleben des Bühnen-Charakters durchschimmern lassen. Gleichgewicht und vollkommene Harmonie zwischen Körper und Seele sind die Grundlagen seines Schaffens.
[…]
Es besteht auch die Gefahr, daß der Schauspieler die notwendige Grenze zwischen Alltag und Theater verwischt. Er bringt das Leben, wie es ist, auf die Bühne, und wird somit zu einem photogetreuen Nachahmer. Er vergißt, daß seine eigentliche Aufgabe nicht in der bloßen Imitation, sondern in einer facettenreichen und tiefgründigen Interpretation liegt. Und dabei sollte ihn doch ein freudiger Instinkt drängen, seine ganz persönlichen Eindrücke zu vermitteln, Hintergründe aufzudecken und ihre nicht augenfällige Bedeutung klar werden zu lassen. Wie aber kann er das tun? Wie kann er der Aufgabe genügen? Kaltes, analytisches Denken hemmt schöpferische Tätigkeit....