Immer häufiger werden persönliche Lebensgeschichten zum Stoff, aus dem Gegenwartstheater gemacht wird. In einer offenen Gesellschaft, die nicht nur aufgrund von Migrationsprozessen größer und diverser wird, sondern auch, weil jahrzehntelange Kämpfe um Anerkennung minoritärer Positionen und nichtnormativer Lebensweisen gelebte Vielfalt möglich machen, wächst das Bewusstsein für die Vielstimmigkeit von Lebensgeschichten. Eine Gesellschaft erhält sich ihre Offenheit, wenn sie sich für die Geschichten „anderer“ interessiert und sich nicht vorschnell durch Be- oder Verurteilung verschließt. Das Theater kann jenen Geschichten Raum geben und zum Ort kritischer Reflexion machtvoller Repräsentationsverhältnisse werden: Welche Geschichten werden wie und von wem erzählt, was wird ausgeschlossen und wer entscheidet darüber? Wie unter einem Brennglas ließ sich die Auseinandersetzung mit diesen Fragen in ästhetischer wie struktureller Hinsicht auf dem diesjährigen Festival Theaterformen in Hannover studieren.
Rückblickend fallen drei kuratorische Setzungen von Martine Dennewald und ihrem Team ins Auge: Erstens werden anstelle fertiger Produktionen (im Sinne einer Best-of-Auswahl) internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, um Produktionen vor Ort zu realisieren. Zweitens stehen persönliche Lebensgeschichten im Fokus aller eingeladenen Produktionen. Dies führt zu einem Schwerpunkt dokumentarischer und kollaborativer Arbeiten wie Bürgerbühnen („Die Geschwindigkeit des Lichts“ von Marco Canale) oder workshopgeleiteten Rechercheprojekten an der Schnittstelle zum Aktivismus („Adoption“ von Selina Thompson und...