Thälmann at the gates of dawn
von Matthias Däumer
Erschienen in: Recherchen 127: Darstellende Künste im öffentlichen Raum – Transformationen von Unorten und ästhetische Interventionen (12/2017)
Assoziationen: Theater Anu
I
Wildwest im Thälmannpark heißt der Dokumentarfilm von Kathrin Rothe,1 die von Januar 2013 an über ein Jahr hinweg den Widerstand der alteingesessenen Thälmann-Park-Bewohner gegen die Inanspruchnahme des Gebiets durch Investoren begleitete. Die Faust des Thälmann-Standbilds schien in diesem Film angesichts der Erzählungen aus der Platte weniger gegen die politischen Feinde in der Weimarer Republik als gegen die kapitalistische Pervertierung des letzten freien Wohnraums in Berlin-Prenzlauer Berg gerichtet zu sein. Geht man mit dieser Vorprägung zum von Theater Anu bespielten Park, wird man auf den ersten Blick enttäuscht sein. Der Parcours-Aufbau erinnert weniger an Wildwest denn an eine Insel der Romantik, verzauberte Natur, kurzum: an einen Märchenwald. Doch wie so oft führt dieser erste Eindruck in eine weitaus produktivere Irre, als sie jede revolverzückende Direktheit bewirken könnte.
Der Aufbau besteht aus mehreren Stationen, die über den Verlauf der Aufführung kontinuierlich bespielt und vom Publikum nach eigenem Ermessen neugierig lustwandelnd aufgesucht werden. Zwischen den Stationen sind die Wege mit unzähligen erleuchteten Einmachgläsern flankiert, in denen fein säuberlich geordnet Fundstücke aus dem Park zu betrachten sind: Papierfetzen, zerrissene Feuerwerkskörper, skurrile Pflanzen, eine Pusteblume, Kiefernzapfen, Kronkorken, Kippen, Kastanien, Feuerzeuge und eine Sektflasche. Auch an den Bäumen hängen die Gläser, oft neben Schildern...