Erlangen? Was’n Erlangen?
Sechs Thesen
Erschienen in: Offen! Das internationale figuren.theater.festival – Erlangen Nürnberg Fürth Schwabach (05/2025)
Assoziationen: Bayern

Erlangen? Eine Stadt in Franken oder der Zauberberg eines jeden Puppenspielers.
Es kann auch sein, dass ich alles verpennt habe und die Welt schaut mittlerweile ganz anders aus, ich reibe mir den Sand aus den Augen und sehe, die Zeit ist schon abgefahren, ich steh am Bahnsteig und winke ihr nach.
Sei’s drum, ich hab sowieso mein eigenes Erlangen.
Also erst mal meine Thesen im Überblick.
1. Der Diskurs über meine Arbeit anhand eines großen Festivals ist nicht zulässig.
2. Erwartungen an ein Festival sind Glücksache und Diener des Egos.
3. Dankbarkeit ist eine Verbindung von Personen und dem Obstkorb in der Garderobe.
4. Abfahrt vom Festival: Vollgas oder untertourig?
5. Phylogenetischer Leitfaden durch das Internationale Figurentheater-Festival Erlangen.
6. Erlangen ist zu wichtig.
Zu 1. Der Diskurs über meine Arbeit anhand eines großen Festivals ist nicht zulässig.
Meine Gedanken schwiffen, schwoffen, schwofteten – wie sagt man – schweifteten durch alle Diskussionen, die ich mit Kollegen und Veranstaltern auf dem Festival hatte. Zum einen über Produktionen, die am Festival gezeigt wurden und über die gesagt wurde, sie hätten auf dem Festival nichts verloren, würden gar nicht hierher passen. Zum anderen über Produktionen, die auf dem Festival abgefeiert wurden und von denen auch nicht ganz klar war, wie sortenrein sie waren.
Könnte man eine höhere Existenz mit Namen Erlangen anerkennen, so wäre man geneigt zu sagen:
„Die Wege des Erlangen sind unergründlich.“
Mein Zusatz dazu wäre:
„Und dennoch zielführend.“
Jedenfalls war und ist das Festival immer auch ein Ort des Diskurses oder mehr noch der Suche nach einem Standpunkt. Ich hatte immer das Gefühl, mich daran beteiligen zu müssen, mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich meine, das Puppenspiel, das ich mache, ist und war immer ein Ergebnis von all dem, was ich als Zuschauer sammeln und den Fähigkeiten, die ich durch die Zusammenarbeit mit vielen tollen Kollegen erwerben konnte, und noch einiges mehr, aber nie hat mich ein allgemeiner Diskurs über das Medium beeinflusst, vielmehr liegt dem, was ich mache, eine Motivation zugrunde, die, wie nach all den Jahren festzustellen ist, genauso schon ganz am Anfang da war.
Zu 2. Erwartungen an ein Festival sind Glücksache und Diener des Egos.
Den Punkt muss ich gar nicht ausführen, ist eh schon alles in der Überschrift gesagt.
Zu 3. Dankbarkeit ist eine Verbindung von Personen und dem Obstkorb in der Garderobe.
Die Erfahrung der vielen Spiele, die ich so hatte, an unterschiedlichen Orten und mit unterschiedlichen Bedingungen und Begegnungen mit unterschiedlichsten Leuten, die einem mal hier und dann dort Hallo sagen und zeigen, wo die Steckdosen sind. Fühlt man sich da immer willkommen, ja sogar herzlichst empfangen, oder wird mit so viel Hochachtung überhäuft, dass man meinen könnte, man würde auf Wolken schweben?
Es ist so wichtig, eine Wertschätzung zu erfahren, ohne sie hätte man doch gar nicht die Kraft weiterzumachen, und Festivals haben immer das Potenzial, genau diese zu geben.
Zu 4. Abfahrt vom Festival: Vollgas oder untertourig?
Ach ja, dieses Gefühl, nach einem Festival, am nächsten Tag nach der Aufführung, der Moment der Abfahrt.
Hat man’s geschafft, alles ist so richtig toll gelaufen, kurble ich bei der Abfahrt das Fenster runter, um nochmals die Luft von diesem Ort zu atmen, wie ein Mantafahrer lehn ich meinen Ellbogen aufs Fenster und ganz langsam fahr ich davon. Oder andersherum, verdammt, nichts wie weg – Vollgas!
Zu 5. Phylogenetischer Leitfaden durch das Internationale Figurentheater-Festival Erlangen.
Viele Jahre durfte ich schon nach Erlangen kommen und viele Aufführungen hab ich hier gesehen. Wenn ich nun einen Faden knüpfen würde, durch all die Aufführungen, von all den Kollegen, die ich hier gesehen und getroffen habe, mit denen ich hier gespielt habe, und könnte ich diesen Faden, so wie er da geknüpft wäre, nehmen und ihn auf ein Packpapier legen, er würde den Stammbaum meiner künstlerischen Arbeit zeigen.
Aufführungen, die ich gesehen habe und die mich tief beeindruckt haben, die dann Einfluss hatten auf meine weitere Arbeit, oder Kontakte mit vielen tollen Kollegen, wie zum Beispiel Charlotte Wilde und Michael Vogel, unsere langjährige Zusammenarbeit hat auf dem Festival in Erlangen begonnen.
So was meine ich damit.
Mehr Namen nennen, nein, das will ich nicht, weil zu all den Einflüssen gehören nicht nur die Aufführungen, die ich bewundert habe, sondern auch die, die ich in Grund und Boden verdammt habe.
Zu 6. Erlangen ist zu wichtig.
Komisch – an dem Punkt sitz ich nun am längsten dran, und er sollte auch ganz anders heißen. Hier sollte nun eine superkritische Auseinandersetzung mit dem Festival in Erlangen, Nürnberg, Fürth und Schwabach kommen, ich wollte sagen, was ich immer schon sagen wollte, und das nicht zu knapp. Aber, wenn ich überlege, dass Erlangen schon mal verschwinden sollte, dann bleibt nur zu sagen, Erlangen ist zu wichtig.
Das Festival ist doch wie ein Sonntag, an dem man sich sein schönstes Gwand anzieht und sich herzeigt.