Von wegen Provinztheater! Wenn zur ersten Repertoirevorstellung schon Fans aus Leipzig anreisen, wenn das eher biedere Bautzener Publikum am Schluss trampelt, ruft und stehend applaudiert, muss sich wohl auf der kleinen Bautzener Bühne Großes ereignet haben. Großstädtische Arroganz ließ die berühmte antike „Orestie“ zuvor eher als Zumutung für das Deutsch-Sorbische Volkstheater erscheinen. Der Dresdner hatte noch die mit dem Bürgerchor aufgepeppte spektakuläre Inszenierung von Volker Lösch aus dem Jahr 2003 in Erinnerung, wie in Bautzen ebenfalls auf der Basis der Prosaübersetzung von Peter Stein.
Aber der im Osten vor allem aus seiner Cottbuser Ära bekannte Regisseur Mario
Holetzeck kann auf zusätzliche Befrachtungen vollständig verzichten. Er lässt die beiden Hauptkonflikte der Trilogie in starken Bildern und in einem sinnvoll auf knapp zweieinhalb Spielstunden komprimierten Text für sich sprechen. Ob nun Iphigenie tatsächlich für das Gelingen des Militärunternehmens Troja geopfert oder nur in den Artemistempel verbannt wurde: König und Feldherr Agamemnon setzte Staatsräson vor Familie und ignorierte die Muttergefühle seiner Frau Klytaimnestra. Bei dem danach einsetzenden interfamiliären Rachegemetzel geht es schließlich um die Frage, ob ein Ausbruch aus dem Automatismus der Vergeltung möglich ist.
Dieses Spiel mit Macht, Leidenschaft und ursprünglichsten Empfindungen driftet in Bautzen nie ins Banale ab, sondern behält in...