Dass man sich wehrt, Täter zu werden
von Milo Rau und Robert Pfaller
Erschienen in: Die Enthüllung des Realen – Milo Rau und das International Institute of Political Murder (11/2013)
Robert Pfaller / Milo Rau
Milo Rau Es gab im Projekt „City of Change“ den Vorwurf, ihr müsst euch eigentlich nicht um die Probleme anderer und der Ausländer kümmern. Man kennt das von der Einführung des Frauenstimmrechts, wo Männer gesagt haben, wir brauchen jetzt das Frauenstimmrecht, und darauf geantwortet wurde, dass die das doch selber machen sollen, ich bin gar nicht in der Situation! Bei uns wurde gesagt: Ihr seid doch gar keine Ausländer. Warum beschäftigt ihr euch jetzt mit der Problematik, dass diese Leute keine Rechte haben? Was ist das für ein Gedankengang und wie kann man darauf antworten?
Robert Pfaller Ich halte das zunächst für diese trügerische narzisstische Figur des Opfergedankens: Da gibt es ein Opfer und nur das Opfer kann richtig über sich selber sprechen. Als ob wir nicht aus der Geschichte wüssten, dass die, die die größten Opfer waren, eben deshalb oft auch die verkehrtesten Gedanken über ihre eigene Stellung hatten. Man muss diese Haltung infrage stellen, die einer postmodernen Empfindung entspricht, dass jeder nur für sich selber sprechen und jeder nur seine eigene Story erzählen soll. Das ist ein Standpunkt, der jede Story letztendlich zu einer völlig unverbindlichen Privaterzählung macht. Das ist eine Entpolitisierung. Wichtiger...