Protagonisten

Myer und sein Mord oder Die Macht der Röhre (Exposé)

Erschienen in: Theater der Zeit: Der Lieblingsfeind steht links – Über Theater und Polizei (12/2020)

Assoziationen: Akteure

Mabel M, Frau von Paul M, einem kleinen Angestellten in London, wünscht sich ein Fernsehgerät.

M spart, wird Nichtraucher, arbeitet bis in die Nacht, kriecht vor seinem widerlichen Chef, hat keine Zeit für Mabel, bis er Mabels Wunsch erfüllen kann.

Mabel ist glücklich: sie hat ein Fernsehgerät. Myer ist glücklich: er hat wieder Zeit für Mabel. Ein glückliches Paar vor dem Bildschirm. So vergeht der erste Abend.

Am zweiten Abend, als Myer mit Blumen nach Hause kommt, kommt ihm Mabel nicht wie sonst an die Tür entgegen, nimmt ihm nicht den Mandel ab wie sonst, serviert ihm kein Essen wie sonst, sitzt vor dem Bildschirm, sieht Myer nicht an, sieht die Blumen nicht an, sagt nur: stell sie in die Vase, Liebling und: mach dir eine Suppe, dein Steak ist angebrannt, hat nur Augen für Mister Bellamy, den charmanten jungen menjoubärtigen rechtsgescheitelten Sprecher der Fernsehsendung für das Herz der Frau. Myer stellt die Blumen in die Vase, macht sich die Suppe, verliert kein Wort über das angebrannte Steak, leidet stumm in der Gewißheit: die Bellamys kommen und gehen, ich bleibe.

AM NÄCHSTEN Abend, Myer hat seinen Hausschlüssel zuhaus liegengelassen, macht Mabel nicht auf. Myer klingelt klopft ruft, holt, in Angst...

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Heiner Müller

Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1104-047 / Hubert Link / CC-BY-SA 3.0

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