Illusionistische Abbilder
Fotografie
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Die Erfindung der Fotografie war für Theater vielleicht die folgenreichste unter den technologischen Neuerungen in den ersten zwei Dritteln des 19. Jahrhunderts, insofern sie der erste entscheidende Schritt in der oder für die Schaffung mediatisierter beweglicher Bilder, daher auch theatraler Darstellungen in der Reihe Film-Fernsehen-Video-Computerspiele gewesen sein dürfte.46 Im Foto wurde die scheinbar unmittelbare, „dokumentarisch“ unabweisliche Reproduktion wirklicher Phänomene/Sachverhalte gefunden.47
Nach technischen Verfahren zur Herstellung exakter (illusionistischer) Abbildungen der Dinge war in mehren Ländern experimentell gesucht worden. Theatergeschichtlich bedeutsam ist dabei Daguerres Rolle, der 1839 sicherlich das erste Foto-Verfahren der Öffentlichkeit vorstellte.48 Seit 1822 hatte er in seinem Diorama-Theater wandelbare Bilder-Arrangements vorgeführt, die eine „annähernd vollständige Illusion gewährten“, und er soll Kunstrichtern, die ihm ankreideten, er vermische Natur und Kunst, geantwortet haben: „Sie sagten, meine lebendige Ziege, meine wirklichen Tannenbäume seien unerlaubte Hilfsmittel für den Maler, dies mag sein! Mein einziges Ziel war Täuschung, die höchste hervorzubringen; ich wollte die Natur bestehlen.“49
Bei aller dokumentarischen „Echtheit“ des Wiedergegebenen ist Fotografieren zugleich auch Selektieren und Etwas-in-Szene-Setzen. So wurden auch die Fotos des Franzosen Nadar als Kunst gewürdigt. Die Fotografie sei mehr als andere Repräsentationsmittel geeignet, so noch Gisela Freund in den 1970er Jahren, „die Wünsche und Bedürfnisse...