Theater der Zeit

Essay

Vielleicht ein Aufbruch

Queeres Theater erlangt eine immer größere Vielfalt: ein Überblick

von Jenny Schrödl

Erschienen in: Theater der Zeit: Queeres Theater – Romeo Castellucci — Die Mysterien von Eleusis (09/2023)

Assoziationen: Kinder- & Jugendtheater Performance Schauspiel Freie Szene Dossier: Queeres Theater

House of Living Colors ist ein offenes Drag- und Performance-Kollektiv für queere und trans People of Color (QTBIPoC), dessen Performance „Endangered Species“ zuletzt bei den Tanztagen Berlin 2023 in den Sophiensaelen zu sehen war
House of Living Colors ist ein offenes Drag- und Performance-Kollektiv für queere und trans People of Color (QTBIPoC), dessen Performance „Endangered Species“ zuletzt bei den Tanztagen Berlin 2023 in den Sophiensaelen zu sehen warFoto: Gerhard Ludwig

Bis vor nicht allzu langer Zeit hatten Stadt- und Staatstheater im deutschsprachigen Raum nur wenig mit Queerness zu tun; bis auf wenige Ausnahmen (René Pollesch, Falk Richter, Maxim Gorki Theater Berlin „Queer Week“) und einige subversive Cross-Dressing-Performances (gern und besonders in Shakespeare-Inszenierungen) wurden kaum nicht-konforme Sexualitäten, Begehrensformen und/oder Geschlechter dargestellt. Queerness war, wenn überhaupt, in der Rezeption und im Blick der Zuschauenden angesiedelt. Dies stand stark im Gegensatz zur freien Szene, die sich im letzten Jahrzehnt immer stärker auf Queerness und Normativitätskritik fokussierte. Das Stadttheater hingegen verkörperte weiterhin die hegemoniale Norm von Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit auf der Bühne, eine Affirmation traditioneller bürgerlicher Kultur, die Abweichung davon war zumeist nur zur Bestätigung eben dieser Normen gedacht und wurde nicht selbst ausgestaltet, geschweige denn wertgeschätzt.

Dieser Befund bestätigt sich durch das am 5. Februar 2021 im Magazin der Süddeutschen Zeitung erschienene Manifest „#ActOut“, das von 185 lesbischen, schwulen, bisexuellen, queeren, nicht-binären und trans* Schauspielenden unterzeichnet wurde, die die schlechten Verhältnisse innerhalb der Theater-, Film- und Medienbranche ansprachen und in Bezug auf Sexismus, Homo- und Transphobie, Diskriminierung und Ausgrenzung anklagten. Viele der Unterzeichner:innen sprachen zum ersten Mal öffentlich über ihre Sexualität bzw. Geschlechtsidentität, die sie sonst in der Branche geheim halten mussten, weil...

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