Look Out
Wo sich Tumor auf Humor reimt
Der Schauspieler und Autor Stefan Hornbach verbindet schwarzen Humor mit kritischem Engagement
von Elisabeth Maier
Erschienen in: Theater der Zeit: Playtime! – Der Theatermacher Herbert Fritsch (05/2017)
Assoziationen: Schauspielhaus Bochum
In der Rolle von Pippi Langstrumpfs Lehrerin Fräulein Prysselius hat er Kinder in der Heidelberger Produktion des Astrid-Lindgren-Klassikers verblüfft. Der Schauspieler Stefan Hornbach liebt es, Rollen zu hinterfragen. Die verklemmte Gouvernante ist in seiner Interpretation im Kinderstück des Stadttheaters eine herrlich verwirrte Frau. Auf ein Fach will sich der Schauspielabsolvent der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg auch im Theater nicht festlegen lassen. „Ich wollte immer auf der Bühne stehen“, erinnert sich der 30-Jährige. „Damit habe ich schon in der Schule angefangen.“
Auch Schreiben gehört seit jeher zu seinem Leben. Nun macht er als Autor von sich reden. Mit seinem Stück „Über meine Leiche“ gewann er nicht nur den Osnabrücker Dramatikerpreis, verbunden mit der Uraufführung, auch bei den Autorentheatertagen des Deutschen Theaters Berlin wurde das Stück ausgezeichnet. Regie führte Nicolas Charaux, der es am Burgtheater Wien auf die Bühne brachte. Im Mai hat der Text in Anne Liebtraus Regie am Schauspielhaus Bochum Premiere. Nachspielerfolge, von denen viele träumen.
Hornbach erzählt seine Geschichte in einer üppigen, poetischen Sprache. Seine Figuren sind durchgeknallt, und sie fürchten sich – vor dem Leben wie vor dem Sterben. Damit trifft der junge Autor ins Herz seiner Generation, die von Krisen- und Kriegsangst geschüttelt ist. Seine Protagonisten zittern, lieben, brüllen ihre Sorgen heraus. So versteht es der Schauspieler, das tiefste Innere der Figuren nach außen zu kehren. Der krebskranke Fritz bewundert die supercoole, aber frustrierte Jana. Sie will von ihm lernen, wie man stirbt. Ein Tumor zehrt an seinen Kräften. Deshalb saugt er gierig Janas Lebensenergie auf. Ganz nah liegen Lachen und Existenzangst da beisammen.
Den schweren Stoff tränkt Hornbach mit schwarzem Humor, und das reimt sich sogar. Selbst über Fritzchens faustgroßen Tumor, der im Medizinerjargon „Raumforderung“ heißt, darf gelacht werden. Seine hintergründige Ironie zeigt der schmale Schauspieler mit dem ansteckenden Lachen auch im Gespräch. Kritisch geht er da mit dem Stadttheaterbetrieb ins Gericht, der wenig Raum für künstlerische Entwicklung lasse. „Deshalb habe ich mich gegen ein festes Engagement entschieden, obwohl es Angebote gab.“
Hornbachs Traum von einem Theater, das Position bezieht und neue Formen generiert, lebt er mit dem Kollektiv Eins aus. Mit Paula Thielecke und Sören Hornung, die wie er in Ludwigsburg studierten, wagt Hornbach da Grenzgänge wie das wohlklingende Filmprojekt „Wurstland“. Kürzlich war das Kollektiv beim Festival Britney X des Schauspiels Köln dabei, um mit innovativen Künstlerinnen und Künstlern über Politik und Geschlechterrollen zu diskutieren. Im künstlerischen Freiraum der Akademie in Ludwigsburg habe er gelernt, wie wichtig eigene künstlerische Projekte sind. Die realisiert der Träger des Schiller-Nachwuchspreises am liebsten in Kollektiven. Als Teilnehmer des Heidelberger Stückemarkts 2016 verfasste er mit anderen Dramatikern ein Manifest. Vom „Glauben an die Möglichkeiten des Textes“ ist da ebenso zu lesen wie vom Wunsch, Visionen zu schaffen. „Mit diesem tollen Jahrgang war so ein Statement möglich“, schwärmt Hornbach.
Um Geschlechterrollen und Vielfalt geht es im neuen Stück, das der designierte Leiter des Karlsruher Kinder- und Jugendtheaters Otto A. Thoß in Weimar und Karlsruhe realisiert. Da untersucht Hornbach den Kampf schwuler Fußballer, die sich in der Männerwelt outen. Jugendlichen einen Weg zu zeigen, wie sexuelle Identität lebbar wird, ist sein Ziel. Hilfe bekam er vom schwulen Ex-Fußballprofi Marcus Urban. Das Projekt unterstreicht Hornbachs Vision von politischer, lebensnaher Kunst. //
Stefan Hornbachs „Über meine Leiche“ ist am Schauspielhaus Bochum wieder am 25. und 26. Mai zu sehen.