Magazin
Geschichtenerzählen als Heimat
Zum Tod von Jakob Arjouni
von Ronald Richter
Erschienen in: Theater der Zeit: Frontmann Hamlet – Der Dresdner Musiker-Schauspieler Christian Friedel (03/2013)
Ob Privatdetektiv Kemal Kayankaya und sein Schöpfer Jakob Arjouni wohl jetzt gemeinsam Billard im Frankfurter Bahnhofsviertel spielen? Arjouni, der am 17. Januar viel zu früh – mit 48 Jahren – im von ihm nicht gerade innig geliebten Berlin verstorben ist. Der Schmuddel und die seltsamen Orte, wie das 24 Stunden geöffnete Schwarze Café in Charlottenburg, stifteten ihn zu meisterhaften Figuren und Romanen an: zu „Magic Hoffmann“ (1996), „Der heilige Eddy“ (2009) oder „Cherryman jagt Mister White“ (2011). Auch seine drei hochgelobten Theaterstücke aus der Anfangsphase sind wenigstens zum Teil hier entstanden („Die Garagen“, „Nazim schiebt ab“ und „Edelmanns Tochter“).
Doch wo war Jakob Arjouni zu Hause? In Südfrankreich etwa, wo er sich mit 18 am Strand als Erdnussverkäufer verdingte und die Einsamkeit dazu nutzte, sich ernsthaft dem Schreiben zu widmen? Oder in der Odenwaldschule, deren kriminelle Exzesse ihm als Schüler verborgen blieben, obwohl er sich damals schon als Beobachter empfand? Die Geburtsstadt Frankfurt am Main, in der er in einer antiautoritären 68er-Theaterfamilie aufwuchs, bescherte ihm jedenfalls seine berühmteste Figur, Kemal Kayankaya. Diese Wiederverkörperung von Georges Simenons lakonischem Maigret in unübersichtlich-multikulturellen Zeiten: selbstbestimmt, etwas wurzellos, das einfache Leben abseits der „verwöhnten Mini-Mozzarella-Welt“ suchend („Bruder Kemal“, 2012). Ein türkisch-bundesrepublikanischer Ermittler, der Türkisch...