Mit Technosound aus dem Kopfhörer dröhnt sich Luise Miller zu. Die liebeskranke Tochter des bürgerlichen Geigers in Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“ ist in Christine Gnanns Inszenierung ein Kind der Generation X, die keine Perspektive findet. Mit der aktuellen Lesart von Schillers Klassiker des Sturm und Drang schließt die Württembergische Landesbühne Esslingen (WLB) zum 100-jährigen Bestehen einen Kreis. 1919 begann ihre Geschichte als Wandertheater, das damals Schwäbische Volksbühne hieß, mit eben diesem Drama in der Kleinstadt Göppingen. Da spielte die Truppe im Apostelsaal des ersten Hotels am Platze.
Um den historischen Bogen zu schlagen, hat die Esslinger Bühne nun die erste Premiere ihrer Jubiläumsspielzeit in die Stadthalle der 25 Kilometer entfernten Nachbarstadt verlegt. Anders als die alte Reichsstadt mit ihrem verträumten Fachwerk-Flair hat Göppingen kein Theater. Statt Pathos in der Sprache wummern heute Techno-Beats. Mit Nathalie Imboden als Luise und Felix Jeiter in der Rolle des Ferdinand, des aufmüpfigen Sohns des Feudalherrn Walter, heute CEO eines Konzerns, erzählt Regisseurin Gnann das Scheitern einer Liebe an gesellschaftlichen Schranken zeitgemäß. Erfroren ist die Liebe in einer Welt der Macht und der Hierarchien, Judith Philipps Bühnengerüst mit Rampe zeigt Standesgrenzen auf. Ein Staubsauger-Roboter, mit dem die Gegenspielerin Lady Milford die Leere ihres Lebens...