Stanford lecture
Das Theater Frank Castorfs
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Arbeitsbuch 2016: Castorf (07/2016)
Dieser Text war ursprünglich die Manuskriptfassung eines Vortrags zur Einführung in die Theaterarbeit Frank Castorfs am Drama Department der Stanford University. Er sollte nach Ende meiner Teilnahme an einer Konferenz in Boulder/Colarado Anfang April 2005 gehalten werden. Da ich wegen eines plötzlichen Schneesturms in Denver für mehrere Tage keinen Flug nach San Francisco bekam und mit einem der noch möglichen internationalen Flüge nach Frankfurt zurückreiste, musste er ausfallen.
Frank Castorf zählt zu den führenden europäischen Theaterkünstlern der Gegenwart. Er begann als Regisseur in den frühen achtziger Jahren mit Inszenierungen an verschiedenen ostdeutschen Stadttheatern. 1988 inszenierte er zum ersten Mal in Berlin an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, ab 1989 arbeitete er an großen Theatern in Westdeutschland. Seit 1992 ist er Intendant und künstlerischer Leiter der Volksbühne, zugleich inszeniert er in anderen deutschen Städten sowie in der Schweiz, Frankreich, Österreich und Schweden.
Seine Theatersozialisation in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren war vor allem von den Aufführungen an der Volksbühne unter der künstlerischen Leitung von Benno Besson beeinflusst, dem wichtigsten und innovativsten Schüler und Assistenten Bertolt Brechts am Berliner Ensemble der fünfziger Jahre. Bessons Volksbühne der siebziger Jahre nahm, wie Castorf es sah, die Traditionen Piscators und des sowjetrussischen Theaters der...