Magazin
Widerstand inmitten des Wahnsinns
Zum Tod von Jovan Ćirilov, Leiter des Bitef-Festivals in Belgrad
von Renate Klett
Erschienen in: Theater der Zeit: Feuer und Eis – Theater im ostsibirischen Jakutsk (01/2015)
Während des Kalten Krieges war das Bitef das einzige Theaterfestival in Europa, bei dem sich West und Ost nachhaltig begegneten – und das Jahr für Jahr. Man war neugierig aufeinander, kannte man sich doch meist vom Namen her, aber eben nicht persönlich. Wir diskutierten nächtelang, tranken viel und verbrüderschwesterten uns mit Inbrunst (nur zwischen Bundes- und DDR-Deutschen blieb es stets reserviert, zu groß war das gegenseitige Misstrauen, erst mit Beginn der Perestroika wurde es etwas lockerer).
Mira Trailovic war die Direktorin, Jovan Cirilov Dramaturg und Kodirektor des 1967 in Belgrad gegründeten Festivals, und sie bestellten das Feld, auf dem die Ost-West-Begegnungen blühten, mit großer Leidenschaft. Ihre Großzügigkeit und Gastfreundschaft waren legendär. Als „Mira I., Königin von Serbien“, wie wir sie liebevoll nannten, 1989 starb, übernahm Jovan Cirilov allein die Verantwortung für das Festival und behielt sie, in den letzten Jahren unterstützt von Anja Suša, bis zu seinem Tod. Er war ganz anders als Mira, nicht exzentrisch, sondern bescheiden, ein gebildeter, freundlicher Mann, der ein halbes Dutzend Sprachen beherrschte und jedes Theater dieser Erde zu kennen schien.
Aber Jovan war ja nicht nur Theatermensch, er war auch Schriftsteller, Philosoph, Philologe, Journalist, Intellektueller. Er schrieb Gedichte, Theaterstücke und Romane, Kritiken, Essays und...