Kolumne
Who owns history?
von Kathrin Röggla
Erschienen in: Theater der Zeit: Sie sind zurück – Vegard Vinge und Ida Müller im Nationaltheater Reinickendorf (09/2017)
Assoziationen: Debatte
Es gibt jene Leute in dieser Bergregion im südlichen Marokko, die lassen sich mittlerweile für ihre Geschichte von Journalisten bezahlen. Illegale Migranten, die es verstanden haben, die Frage zu stellen: Wem gehört die Geschichte? Doch who owns my story wird zu who owns history? Und wer ist der Direktor der Wirklichkeit? Diese Frage, die Rolf Dieter Brinkmann so ausführlich zu stellen pflegte, schließt sich ja gleich an. Das sind mittlerweile als allgemein und bodenständig anerkannte Fragen. Wenigstens für die eigene Geschichte möchte man schon bezahlt werden. Nur, wer kann sie bezahlen? Und wird sie dann nicht erst recht enteignet? Zynische Fragestellung im Rahmen der vorherrschenden Eigentumsasymmetrien?
Ich habe mich frei nach Marcel Beyers „blindgeweintem Jahrhundert“ in letzter Zeit für Tränen interessiert. Wer weint wann und wo? Denn das ist gar nicht mehr so eindeutig. Die öffentlichen Tränen wandern. Und sie wandern vermutlich seit jeher. Warum habe ich das Gefühl, es sind die falschen Stellen, an denen geweint wird? Überraschende, peinliche, scheint mir. Es gibt plötzliche Tränenmomente in den Geschichten einer sehr theoriefixierten Person, wo es platt wird. Es gibt Umschlagspunkte im Weinen. Und das sentimentale Weinen, jenes, das für die anderen immer mitweint, wo man besser Abstand gehalten hätte....