Sprechen
von Horst Hawemann
Erschienen in: Recherchen 108: Horst Hawemann – Leben üben – Improvisationen und Notate (03/2014)
Sprechen beginnt nicht mit dem ersten Wort. Sprechen beginnt mit dem Denken, mit dem Atmen und dem Offnen des Mundes. Das sind Handlungen aus gutem oder weniger gutem Grund. Sprechen beginnt meiner Ansicht nach zuerst mit dem Erfahren des Satzes und nicht mit dem Aufsagen, Betonen oder Schönsprechen. Es ist wichtig, das Sprechendes Satzes zu erfahren. Die inhaltliche Seite, die Analyse der Sätze haben wir bewusst weggelassen.
Es gibt so einen alten Theatersatz: Gehen, stehen, sprechen. Auf den ersten Blick ist dieser Satz eine alberne Schauspielerweisheit. Aber er verweist auf etwas, auf die Aufmerksamkeit den unterschiedlichen Mitteln gegenüber. Und darauf, dass man dieses Gemansche – alles auf einmal – vermeiden soll. Eigentlich ist der Satz eine naive Formel dessen, was ich mit „hinhandeln“ meine. Gehen ist ein Gang, Stehen eine Haltung. Beim zweiten Hingucken stellt sich also heraus, dass eine Erfahrung in der Formel steckt: Hingehen zu dem Satz. Sich annähern an Sprache, sich aufhalten in ihr.
Beim Sprechen sollte man auch Umwege nehmen, also nicht gleich den Ton angeben oder – noch schlimmer – die Satzmelodie vorsprechen. Dabei ergibt sich nur Nachsprechen, eine Kopie. Dann macht man lieber einen Umweg in die uns umgebende Welt, z. B. in die...