Heinrich von Kleist reloaded, hineingeworfen in ein Jahrzehnt der Entfremdung und des Auseinanderdriftens der Gemeinschaft: Was das Nationaltheater Mannheim mit dem ungewöhnlichen Projekt „Cecils Briefwechsel. Ein Post-Drama“ unternimmt, ist so pfiffig wie schlagkräftig. Den Ausgangspunkt bildet die Erzählung „Die heilige Cäcilie oder die Gewalt der Musik“ (1810). Hierin schildert der 1777 geborene Kleist die geplante Stürmung des Aachener Doms durch vier ideologisch vernarrte Haudegen, die sich jedoch vom andächtigen Gesang der Nonnen befrieden lassen. Ausnahmsweise hat die heilige Cäcilia den Gottesdienst geleitet. Geht die verhinderte Zerstörung deswegen auf ein Wunder zurück?
Befasst sich Kleists Prosaminiatur noch mit der Spaltung der Christenheit im Zuge der Reformation, so bezieht sich die von Necati Öziri inspirierte Überschreibung der Vorlage vor allem auf die Zersplitterung der spätmodernen Gesellschaft. Auch hier sind es vier Brüder im Krawallmodus, und auch sie wollen einen Dom stürmen, in dem diesmal Pluralismus und Toleranz gefeiert werden sollen. So weit zur Geschichte. Nur wie bringt man derartige Passion und Erhitzung in Zeiten von Corona auf die Bühne? In physischer Hinsicht schon einmal gar nicht.
Saphir Heller, Lena Wontorra und das Mannheimer Ensemble haben sich daher einen findigen Coup ausgedacht, indem sie das Schauspiel schlichtweg in ein Kopfkino transformieren. Was...