Das Theater Brechts
Brechts dekonstruierende Kunstkonstruktionen
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Bertolt Brecht spielte schon während der 1920er Jahre eine herausragende Rolle im deutschsprachigen Theater, seit den 1930ern auch für die internationale antifaschistische kulturelle Öffentlichkeit. Weltweite kulturgeschichtliche Bedeutung erlangte er nach 1945, seit seiner Rückkehr aus dem amerikanischen Exil 1948 und seiner ersten Inszenierung von MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER 1949 in Berlin, den Auftakt zur Gründung seines Berliner Ensemble. Grund der Wirksamkeit ist die Breite, gleichsam die Vieldimensionalität seiner Kunstauffassung (Ästhetik) und seiner Theaterarbeiten und deren philosophisch-weltanschauliche Dimension oder auch Haltung.
1949 nannte Hans Mayer die Rede des Werbers und Feldwebels in der ersten Szene von MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER eine „nackte, aller Konvention, aller herkömmlichen Moralbegriffe entkleidete Sprache“. Sie „äußere das ‚Ethos von unten‘. Man habe solchen „Tonfall und solche Logik des plebejischen Interesses schon einmal gehört“, beim „braven Soldaten Schwejk“. In Brechts Werk stoße man immer wieder „auf solche Haltung, die wir als ‚plebejische‘ Tradition bezeichnen möchten“.9 Sie klang bereits 1920 in dem „Glotzt nicht so romantisch!“ an, mit dem sich der Kragler in Brechts Stück TROMMELN IN DER NACHT, der Mann, den der Krieg geschunden hatte, aus dem großen politischen Geschehen verabschiedet, aus einer Welt, in...