Biografie
von Horst Hawemann
Erschienen in: Recherchen 108: Horst Hawemann – Leben üben – Improvisationen und Notate (03/2014)
Es ist hinlänglich bekannt, dass eine Figur, im Gegensatz zu einem „Typen“, eine Biografie haben sollte, aus der Anteile auf die Bühne gelangen. Das ist die szenische Biografie. Viele Teile werden nicht zu sehen sein, aber bei den Proben die Arbeit an der Figur unterstützen.
Man kann die Biografie auch Vorgeschichte nennen, was darauf verweist, dass noch etwas danach kommt. Die Figur bekommt eine Perspektive. Sie hatte eine Vergangenheit, erhält eine Gegenwart, die auf der Bühne zu sehen ist, und eine Zukunft. Diese ist nur ein gedanklicher Entwurf, der sich aus Vergangenheit und szenischer Gegenwart entwickelt. Ein Zuschauer fragt immer nach Zukunft. Tut er es nicht, dann ist etwas zu Ende gebracht worden. Das Theater sollte nichts zu Ende bringen. Es schließt sich nur ein Vorhang, Fragen bleiben offen. Was wird aus der Viola in Shakespeares Was ihr wollt, was aus Katharina in Der Widerspenstigen Zähmung, was aus den übrig gebliebenen Protagonisten in Wedekinds Frühlingserwachen? Natürlich geht es nicht um eine konkrete Beantwortung. Die offenen Fragen sind die Verlängerung eines Aufenthaltes im Theater.
Wir haben einmal Zuschauer einer Inszenierung am Kindertheater – wo, wenn nicht dort – noch viele Jahre nach der Aufführung immer wieder um eine...