Allein Europas Osten genau zu definieren, ist kein leichtes Unterfangen. Dessen vielfältige Theaterlandschaften umfassend zu kartografieren, noch viel weniger. Das Buch des Leipziger Dramaturgen und Theaterwissenschaftlers Wolfgang Kröplin „versteht sich als ein Beitrag zu dieser neuen Geschichtsschreibung im Bereich der Theaterkulturen. Sie fasst den geokulturellen Raum vom Baltikum bis zum Balkan und dem Kaukasuskamm sowie vom Fichtelgebirge bis zum Ural als zusammenhängende Geschichtsregion ins Auge und versucht, dem wirklichen Spiel von Licht und Schatten in seinen theatralen Aktivitäten und seinem Theater auf die Spur zu kommen.“ Etwas prosaischer gesagt geht es um die Region im früheren Einflussbereich der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg plus Jugoslawien – vor beider Zerfall.
Mit Überblickskapiteln zu Themen wie „verspätete Nationaltheater“, Situationen der Mehrsprachigkeit und „Spuren ostjüdischer Kultur“ versucht Kröplin, eine allgemeinere Spezifik des osteuropäischen Theaters herauszuarbeiten, die zugleich wieder in die Besonderheiten einer nationalen Theaterkultur eingebettet ist. Das wird jeweils unter den Bedingungen sozialistischer Kulturpolitik mit ihren sich durch Länder und Zeiten abwechselnden Liberalisierungs- und Verhärtungsphasen untersucht, wobei alles in einer Art Vogelperspektive bleibt, die eine einzelne, beispielhafte Inszenierung und ihre womöglich bedeutenden Folgen schon nicht mehr ins Bild nimmt. Obwohl der methodische Ansatz einer Osteuropa-Komparatistik des Theaters begrüßenswert ist, fällt der Überblick in...