Buchdruck mit mechanischen Lettern
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Die normative Privilegierung des Wortes, also auch des Literarischen auf dem Theater, gerade im Europa des 16. Jahrhunderts, scheint aber auch durch Wahrnehmungswirkungen des Buchdrucks mit mechanisch verwendbaren Lettern gefördert worden zu sein.43 Gutenbergs Erfindung sei Teil eines sich kontinuierlich entfaltenden Prozesses, so Elisabeth Eisenstein in THE PRINTING PRESS AS AN AGENT OF CHANGE, ein Element in einem größeren Ensemble von Transformationen.
Die Tatsache jedoch, dass Bilder und Karten und Diagramme von weit voneinander getrennten Lesern gleichzeitig betrachtet werden konnten, konstituierte gleichsam in sich eine Kommunikationsrevolution. Die wachsende Vertrautheit mit regelmäßig nummerierten Seiten, Interpunktionen und Anzeichen half, das Denken aller Leser umzugestalten.44 Sich jetzt im privaten Lesen mit der „Welt da draußen“ über das Druckwerk als das ihm objektiv Andere verständigend, übt sich das Individuum als der „mächtige Einzelne“, zu verstehen – als das Ich, das scheinbar der urgegebene Angelpunkt der Welt ist. Das gedruckte Buch macht ihm „sinnfällig“, dass sein Aufgeschriebenes eine distanzierte „objektive Existenz“ habe, etwas gleichsam „ewig“ Festgefügtes sei, ein Phänomen, das dem „Subjekt“ machtvolle Autorität verleiht. Der permanente persönliche Umgang mit Büchern, mit dem gedruckten Geschriebenen, so Roger Chartier, förderte die Ausbildung neuer Verhaltensmuster, „auf denen...