Thema
Der Code als Kultur
Theater und Digitalität
Erschienen in: Theater der Zeit: Lilith Stangenberg: Kunst ist Bekenntnis (12/2019)
Assoziationen: Deutsches Theater (Berlin)
Es steht außer Zweifel, dass die digitale Revolution, die mittlerweile sämtliche Lebensbereiche erfasst hat, ihren Weg auf die Theaterbühnen findet. Sie tut es ja bereits. Das größte Missverständnis in Bezug auf das Verhältnis von Theater und Digitalität besteht allerdings darin, dabei ausschließlich an technische Innovationen zu denken oder an Roboter, Hologramme und Algorithmentexte, die die Bühne erobern. Was im Kurzschluss dazu führt, das Digitale gegen das Analoge des Theaters in Stellung zu bringen (obwohl in den Häusern ja seit Jahren digitalisierte Bühnentechnik vor sich hin schnurrt). Es geht eben nicht nur um Digitalisierung von Infrastruktur (auch), nicht nur um den künstlerischen Einsatz digitaler Techniken (auch), sondern vor allem um Digitalität – einen Begriff, den der Informatiker Nicholas Negroponte bereits Mitte der 1990er Jahre prägte und dabei prophezeite, dass das Digitale wie die Luft und das Wassertrinken nur noch durch seine Ab- und nicht Anwesenheit bemerkt werden würde.
Die Eindringtiefe digitaler Techniken reicht heute bereits bis in unsere Privat-, ja, Intimsphäre. Sie bestimmen unsere Kommunikation, die Form unserer Interaktion, vor allem aber bestimmen sie bereits massiv unser Denken, das durch sie eine fragwürdige Konditionierung erfährt: Menschen wie Klickvieh, das sich gerne selbst und gegenseitig überwacht und bewertet. Auch wenn der Soziologe...