Eine Metapher kolonial-binären Denkens: Hegels Herr und Knecht
von Julius Heinicke
Erschienen in: Recherchen 148: Sorge um das Offene – Verhandlungen von Vielfalt im und mit Theater (05/2019)
Assoziationen: Georg Wilhelm Friedrich Hegel
In der Betrachtung der wissenschaftlichen Arbeiten, die sich beginnend mit der Négritude bis zum Postkolonialismus für die Befreiung aus kolonialen Strukturen einsetzen, fällt auf, dass sich die Autoren vergleichsweise häufig mit Hegels Phänomenologie des Geistes und insbesondere dem Kapitel „Herrschaft und Knechtschaft“ auseinandersetzen. Trotz der Versuche, die kolonialen Zuschreibungen vom Herrn und vom Knecht aufzulösen, verharrt die Négritude und selbst postkoloniale Werke nahezu hilflos in den dichotomen Kategorien des Kolonialismus. Dies erweckt vielleicht den Eindruck, als müssten afrikanische Wissenschaftler sich auf diese Weise dem westlich-kolonialen Verständnis nach „salonfähig“ machen, zeitigt jedoch in erster Linie die perverse Struktur des Kolonialismus. Die Bezüge auf Hegels Phänomenologie des Geistes können als Teil Letzterer verstanden werden und verdeutlichen das absurde Ausmaß der Kolonisierung. Gleichwohl sollte überlegt werden, warum gerade Hegels Philosophie solch große Aufmerksamkeit in postkolonialen Arbeiten bis heute erfährt. Frantz Fanon beispielsweise titelt ein Unterkapitel in Schwarze Haut, weiße Masken „Der Neger23 und Hegel“24 und bezieht Hegels Theorie des dialektischen Dreischritts zum Selbstbewusstsein, welches dieser mit dem Kapitel „Herrschaft und Knechtschaft“ veranschaulicht, direkt auf die gesellschaftliche Situation schwarzer Menschen seiner Zeit. Der gegenwärtig wohl meist beachtete Philosoph dieses Themenfeldes, Achille Mbembe, betitelt in Kritik der Schwarzen Vernunft25 ein Unterkapitel „Der...