Das unendliche Jetzt
von Steven Heene
Erschienen in: Arbeitsbuch 2019: Luk Perceval (07/2019)
Am 26. Januar 2013 hatte „Platonow“ in Gent Premiere. Tschechows allseits bekannter Klassiker war kaum wiederzuerkennen – zumindest nicht auf den ersten Blick. Die Bühne war fast leer, abgesehen von den neun Schauspielern und dem Pianisten Jens Thomas. In der radikalen Bearbeitung durch den Regisseur Luk Perceval war das Stück, in dem Tschechow eine Gruppe von Leuten in einer Villa am Ende eines Winters zusammenkommen lässt, auf das Wesentliche heruntergebrochen. Weder Heil noch Hilfe. Dieses Gefühl der Verwüstung wurde durch eine Verabredung der Spieler unterstrichen: Sie alle starrten ins Publikum. Nicht, um mit ihm Kontakt aufzunehmen, sie starrten ins Unendliche, mit einem Ausdruck der Verzweiflung, deren Intensität in Momenten schwer zu ertragen war. Wie es in der Besprechung von Evelyne Coussens in De Morgen hieß: „Das ist so nackt, so wesentlich, dass es in den Augen schmerzt.“
„Platonow“ am NTGent, dem Stadttheater, war nach langer Zeit die erste Arbeit von Luk Perceval in Flandern. Er war noch Hausregisseur am Thalia Theater in Hamburg nach vielen Jahren in Deutschland – ein Kapitel, das im Jahr 1999 mit „Schlachten!“ bei den Salzburger Festspielen begonnen hatte. Dieser berühmte Theatermarathon, von dem belgischen Autor Tom Lanoye zusammen mit Perceval geschrieben, basierte auf den sogenannten...